Ab hier übernehme ich selbst

Ein Thema, das in meinen Seminaren immer wieder angesprochen wird ist der Umgang mit Beleidigungen oder ähnlichem. Hier gibt es diverse Techniken und Ansätze. Ich mag die Idee des verbalen Aikidos sehr. Da ich keine Lust hatte, einen langen Text darüber zu schreiben, habe ich statt dessen einen Dialog erdacht. Ich hoffe, Du kannst meinen Ansatz dabei gut nach verfolgen. Ich bin gespannt auf Deine Rückmeldung und wünsche Dir erst einmal viel Vergnügen.

Ein fiktiver Dialog

– Ich halte das nicht mehr aus. Wenn er mich noch einmal runterputzt, dann sag ich was ich von ihm halte.

– Und was ist das?

– Dass er ein Riesenarschloch ist, der seinen Minderwertigkeitskomplex dadurch kompensiert, dass er andere vorführt.

– Das klingt echt drastisch. Wie lange lässt er dann seine Launen schon an dir aus?

– Eigentlich vom ersten Moment an.

– Das ist ja schrecklich. Dann wundert es mich nicht, dass du oft so angespannt bist. Hast du ihnen schon mal gesagt, was du davon hältst?

– Gott bewahre. Den Triumph gönne ich ihm doch nicht. Dann kommt gleich wieder so ein blöder Spruch wie: ‚Ach unser Sensibelchen wieder, sind Sie sicher, der Aufgabe gewachsen zu sein?’

– Bist du der Aufgabe denn gewachsen?

– Fragst du das jetzt echt? Natürlich, ich leiste mehr als die anderen, habe bessere Abschlüsse und bin beliebt.

– Warum gibst du dann kein Kontra?

– Wenn ich meine Gefühle preisgeben, dann bin ich noch verwundbarer. Und im schlimmsten Fall fang ich an zu heulen.

– Also unterdrückst du lieber deine Gefühle und zahlst dafür einen hohen Preis?

– Wie meinst du das?

– Hast du schon mal versucht, einen Ball unter Wasser zu drücken?

– Klar, Es ist ziemlich anstrengend.

– Und es fordert Aufmerksamkeit. Jetzt stell dir mal vor, Du müsstest den Ball für eine Stunde runterdrücken, was würde wohl passieren?

– Vermutlich würde ich einen Krampf bekommen.

– Und der Ball?

– Der würde dann aus dem Wasser hüpfen.

– Siehst du. Und genauso geht das mit unterdrückten Emotionen!

– Meinst du wirklich?

– Das meine ich nicht, dass ist so. Gefühle die wir unterdrücken fordern Kraft und Aufmerksamkeit. Die fehlen dann bei anderen Gelegenheiten. Und wenn die Gefühle an die Oberfläche kommen dann meist sehr impulsiv.

– Und was soll ich jetzt machen?

– Den ersten Schritt hast du schon gemacht. Du hast mit einem anderen über deine Gefühle geredet. Jetzt geht es darum herauszufinden, welches Gefühl du stattdessen gerne hättest.

– Na, Anerkennung ist doch klar.

– Okay. Wenn du dich in der Situation mit deinem Chef siehst und du betrachtest dich dabei von Außen, wie auf einem Bildschirm. Würdest du dann der Person die Du darstellst Anerkennung zollen?

– Nicht wirklich, ich stehe eher da wie ein begossener Pudel.

– Was müsstest du denn tun, um dich in der Situation anzuerkennen?

– Schlagfertig oder gewitzt sein. Die Lacher auf meiner Seite haben!

– Wenn du mal an Witze denkst, dann sind die dann besonders gut, wenn die Pointe eine echte Überraschung bereithält an die man nicht gedacht hat.

– Davon lebt der Witz ja.

– Das bedeutet du musst etwas Unerwartetes tun.

– Unerwartet?

– Ja, dein Chef geht davon aus, dass du so reagierst wie immer. Oder mit Gegenangriff. Beides ist erwartet, also verboten. Was könntest du stattdessen machen?

– Ich könnte so tun, als hätte ich seinen Kommentar nicht gehört.

– Und wie würdest du dich dann fühlen? Hättest du da mehr Selbstachtung?

– Nicht wirklich. Ich müsste schon ein Zeichen setzen.

– Zum Beispiel?

– Lachen!. …   Aber irgendwie stimmt das auch nicht.

– Wie wäre es mit einem freundlichen ‚Sie haben ja so recht‘?

– Mhm, ich glaube das schaffe ich nicht, dafür bin ich zu emotional.

– Kann ich verstehen. Aber als Endziel ist es gut wenn du so eine Einstellung annehmen kannst, wo du dich nicht als Reagierer auf die Angriffe anderer reduziert. Um Selbstachtung von anderen zu bekommen, musst du dich erst selbst so achten, dass Deine Position nicht ins Wanken geraten kann. Doch was hältst du von dem Wort: ‚Interessant’?

– ‚Interessant‘? Was meinst du damit?

– Genau das: Stell dir mal vor da kommt wieder ein Tiefschlag und du sagst ‚Interessant’ Was wird der andere denken?

– Vermutlich: Was meint der jetzt damit?

– Eben. Und damit hast du gekontert ohne selbst anzugreifen.

– Stimmt. Ich bin dabei souverän.

– Du erinnerst dich noch an das Bild von vorhin mit dem Ball unter Wasser und Gefühlen? Jetzt hast du ihm den Ball quasi direkt zurückgespielt. Du kannst dir auch vorstellen, du hättest ihn einen schweren Medizinball zugeworfen. Damit muss er erst einmal klarkommen. Aber ebenso klar ist: Eine gute Figur macht er damit nicht.

– Hey das ist toll, das werde ich bei nächster Gelegenheit ausprobieren.

– Mach das, aber das ist nur eine Technik und ein erster Schritt. Letztendlich geht es uns darum, einen klaren Standpunkt zu vertreten. Denn sonst gibt es keine Änderung. Also Gefühle analysieren, Bedürfnisse anerkennen, ohne zu viele Emotionen auf die Sache gucken und zu seiner Haltung stehen. Respekt und Achtung müssen wir erwerben, sie werden uns nicht geschenkt.

– Klingt nach noch mehr Arbeit!

– Ja, das stimmt, aber mit inkludiertem Belohnungssystem. Ich drücke dir die Daumen!