Ich habe auf meinen Bauch gehört und der Verstand ist stets gefolgt

Wenn ich mein Leben in einen Satz zusammenfassen sollte, würde diese Aussage dabei heraus kommen. Warum ist das so bedeutsam? Was hat der Bauch denn mit der Ausrichtung meines Lebens zu tun? Wir planen doch eigentlich mit dem Kopf, schliesslich leben wir im Zeitalter der Vernunft. Um zu verdeutlichen, warum die Einheit von Bauch und Hirn so wichtig ist, muss ich ein wenig ausholen.

Die Entwicklung unseres Denkapparates

Lass uns einmal ganz weit zurück gehen. Damals lebten unsere Vorfahren in Horden oder Stämmen zusammen. Die täglichen Aufgaben des Lebens wurden innerhalb der Sippe verteilt und es gab eine klare Unterteilung zwischen Freund und Feind, da die Ressourcen begrenzt waren. Gingen die Jäger oder Sammler durch die Umgebung konnten sie leicht auf Gefahren stossen. Zeit war schon damals ein wichtiges Kriterium. Denn wenn meine Ur-Ur…Ur-Oma auf einen Säbelzahntiger stiess konnte sie sich nicht erst lange überlegen, ob die Katze mit ihr Verstecken spielen wollte, oder nur gekrault werden wollte. Kampf, oder Flucht waren die beiden sinnvollen Optionen. Aber wenn meine Vorfahrin der Wildkatze gegenüber stand, war es meist schon zu spät und sie wäre nicht meine Vorfahrin geworden. Deshalb war es wichtig, dass sie lernte, schon Anzeichen von Gefahr, wie das Knacken eines Astes, den strengen Geruch eines Tieres, die Bewegung der Blätter einzuordnen. Der Anteil im Gehirn der für diesen Bereich zuständig ist existiert auch heute noch. Grob gefasst sprechen wir da vom Hirnstamm, dem entwicklungsgeschichtlich ältesten Anteil unseres Gehirns.

Jetzt kommt der Körper ins Spiel

Dieser Teil unseres Gehirns handelt also schnell und kennt nur Gut oder Schlecht. Er soll uns vor Gefahren beschützen und agiert auf Basis von Erfahrungen. Entweder von selbst gemachten, oder (genetisch) überlieferten Erlebnissen. Die Informationen werden eher unbewusst aufgenommen, quasi aus dem Augenwinkel heraus und kombiniert mit den Wahrnehmungen der ergänzenden Sinne. Es handelt sich also um eine spontane unreflektierte Einteilung. Genauso äußert sich die Meldung auch in körperlichen Reaktionen wie Erröten, Atem-Anhalten, Schwere im Bauch, Druck auf der Brust, …  Wie Du festgestellt hast, sind das alles eher Körperempfindungen, die unangenehm sind. Man spricht hier von negativen Markern, die uns eben vor Gefahren bewahren sollen. Wir handeln dann meist spontan und unüberlegt. Das war ja früher auch notwendig. Heute ist das meist nicht mehr der Fall, da die tödlichen Gefahren im Büro eher selten geworden sind.

Endlich kommt der Verstand dazu

Als menschliche Wesen sind wir in der Lage, unseren Autopilot auszuschalten und unser Hirn anzuschalten. Das bedeutet, dass wir darüber nachdenken können, ob die Reaktion die wir spontan ausführen wollen, in der Situation angemessen ist oder nicht. Das Grosshirn (viel später erst entstanden, als wir in die Zukunft planen konnten) ist also in der Lage, den Hirnstamm zu überstimmen. Gerade seit der Zeit der Aufklärung ist dies die neue Marschroute, weg mit den impulsiven Gefühlen, her mit der logischen Analyse. Ich denke, also bin ich! Aber das Grosshirn verbraucht nicht nur immens viel Energie, es ist auch langsam und kann nur das verarbeiten, was in meinem Bewusstsein existiert. Und das ist nur ein Bruchteil dessen, was sich unbewusst auf meiner Festplatte befindet. Aber ich kann damit eben planend in die Zukunft schauen, Ziele entwickeln und ansteuern. Das kann der Hirnstamm nicht.

Körper und Verstand sollen eine Einheit bilden

Es gibt einen Grund, warum wir zwei Betriebssysteme besitzen. Wir haben sowohl einen schnellen Anteil, der nur zwischen zwei Optionen (Gut-Schlecht) wählen kann, als auch einen langsamen. Der reflektierende Anteil hat viel mehr Optionen, weniger Informationen und braucht Zeit. Wenn das Bauchgefühl stimmt und der Kopf keinen Einwand dagegen hat ist das super und wir können ohne innere Zerrissenheit los marschieren. Dafür ist es aber notwendig, die Signale seines Körpers wahrnehmen zu können, einzuordnen und das Ergebnis dem Großhirn zur Prüfung zu übergeben. Hakt es da irgendwo, dann spüren wir das durch Unzufriedenheit bis hin zu enormer Wut. Und deshalb bin ich so froh, dass ich meinen Weg bisher so verfolgt habe, dass beide Systeme in Einklang tönen.

Demnächst gibt es noch mehr Informationen zu den somatischen Markern in diesem Blog, dort will ich dann auch über die positiven sprechen.